Mehrere Ministerpräsidenten wollen die Impfreihenfolge für den AstraZeneca-Impfstoff lockern. Dieser solle für alle freigegeben werden, die sich impfen lassen wollen, fordern Söder, Kretschmann, Bouffier und Kretschmer.
Die Ministerpräsidenten von Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Sachsen – Markus Söder, Winfried Kretschmann, Volker Bouffier und Michael Kretschmer – haben sich für mehr Pragmatismus bei der Impfreihenfolge ausgesprochen. Angesichts Hunderttausender ungenutzter Dosen will Söder den Impfstoff von AstraZeneca freigeben: „Bevor er liegen bleibt, impfen, wer will“, sagte Bayerns Regierungschef der „Bild am Sonntag“. Es dürfe keine Dosis übrig bleiben oder weggeschmissen werden. Jeder Geimpfte schütze sich und andere. „Wir müssen beim Impfen Tempo machen“, mahnte Söder. Jeder Tag zähle.
„Es kann nicht sein, dass einerseits zu wenig Impfstoff vorhanden ist, aber andererseits AstraZeneca in hohen Zahlen nicht verimpft wird.“ Dazu solle für den Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers die Impfreihenfolge gelockert werden. Einen Alleingang will Bayern dem Bericht zufolge aber nicht starten, vielmehr strebe man eine bundeseinheitliche Regelung an. Laut Söder solle mit der Freigabe dann auch über die Hausärzte verimpft werden.
Unterstützung von Kretschmann, Bouffier und Kretschmer
Ähnlich äußerte sich Kretschmann. Man könne es sich nicht leisten, „dass Impfstoff herumsteht und nicht verimpft wird, weil Teile der Berechtigten ihn ablehnen“, sagte der Grünen-Politiker der „Welt am Sonntag“. In diesem Fall „müssen wir dieses strenge Regiment auflockern und Menschen impfen, die nach der Priorisierung noch nicht an der Reihe wären“. Solange der Impfstoff Mangelware sei, sei die Priorisierung aber sehr wichtig, betonte Kretschmann.
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier unterstützte die Forderungen. „Ich habe viel Sympathie für die Idee, den ungenutzten Impfstoff von AstraZenena allen Bürgern zur Verfügung zu stellen“, sagte der Vize-CDU-Chef den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Man muss aber auch klären, wie das konkret gehen soll.“ Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer äußerte sich in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ ähnlich. Die Priorisierung sei ein Mittel der Mangelverwaltung und solle in diesem Fall zügig aufgehoben werden.
Lauterbach für neue Strategie
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach forderte eine Neuausrichtung der Impfstrategie. Der Impfstoff von AstraZeneca solle für alle unter 65-Jährigen in den ersten drei Prioritätsgruppen der Impfverordnung „sofort zur Verfügung gestellt werden“, sagt er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Und auch bei über 65-Jährigen solle das Vakzin „sofort eingesetzt werden dürfen“. Der Abstand zwischen erster und zweiter Impfung solle bei allen Impfstoffen innerhalb der Zulassung soweit gestreckt werden wie möglich, so Lauterbach.
Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums hatte am Mittwoch erklärt, dass von den bis zum 23. Februar gelieferten 1,45 Millionen Dosen des Impfstoffs von AstraZeneca nur etwa 240.000 verimpft worden seien. Dies entspricht rund 15 Prozent.
Wechsel zwischen Prioritätsgruppen möglich
Der Sprecher verwies aber darauf, dass man auch zwischen den Prioritätsgruppen wechseln könne, ohne die Impfverordnung ändern zu müssen. Sobald alle Menschen in der ersten Gruppe ein Impfangebot bekommen haben, könne man auch die Menschen in der zweiten Gruppe bedenken. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) forderte die Bundesländer auf, diese Möglichkeit zu nutzen.
Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, hatte am Freitag im ZDF angekündigt, den Impfstoff von AstraZeneca schon bald auch für ältere Menschen empfehlen zu wollen. „Das ist möglich und das werden wir auch tun“, sagte Mertens. Die Stiko hatte den Impfstoff zunächst mangels ausreichender Daten nicht für Menschen ab 65 Jahren empfohlen. Nun werde es „sehr bald zu einer neuen, aktualisierten Empfehlung kommen“ – auch da dann wahrscheinlich der Impfstoff des US-Herstellers Johnson & Johnson zugelassen sein werde.