Foto : Friday for Future /Flickr
Anlässlich der Hochwasserkatastrophe vergangene Woche hat Fridays for Future heute bundesweit Proteste für mehr Klimaschutz protestiert. Unter dem Motto „Die Klimakrise ist hier!“ rief die Bewegung in dieser Woche zu Solidaritätsdemonstrationen, mehr Entschlossenheit im Kampf gegen die Klimakrise und dem Gedenken der über 170 Opfern der Fluten auf.
Bundesweit fanden in über 30 Städten Aktionen statt, zentrale Aktionen waren in Bonn und Hamburg. In Bonn kamen doppelt so viele Menschen wie erwartet, um ihre Anteilnahme auszudrücken. In Hamburg stellte der Klima-Wissenschaftler Carl-Friedrich Schleussner, Climate Analytics und Humboldt Universität, Berlin den Zusammenhang zwischen der Flutkatastrophe und der eskalierenden Klimakrise dar. Er kommentierte die aktuell veröffentlichte wissenschaftliche Stellungnahme mit dem Titel: “Die Flutkatastrophe im Juli 2021 in Deutschland und die Klimakrise – eine Stellungnahme von Wissenschaftler:innen der Scientists for Future”, wie folgt:
“Angesichts von ca. 1,2 °C globaler Erwärmung stellt sich im Jahr 2021 nicht mehr die Frage, ob die menschengemachte Erderwärmung das Auftreten von Extremwetterereignissen beeinflusst, sondern auf welche Art und wie stark. Wir sind bereits mittendrin im Klimawandel.” Weiter führt er aus “Basierend auf dem Stand der Forschung können wir klar feststellen, dass die menschengemachte Erderwärmung ohne Zweifel zur Schwere des Flutereignisses beigetragen hat.”
Auf der Pressekonferenz sprachen neben Annika Rittmann, der Pressesprecherin von Fridays for Future Hamburg auch die von der Flut betroffenen Geschwister Jonas und Julia Wischnewski: „Wir hören in den letzten Tagen immer ‚Wir brauchen mehr Tempo‘, aber es kommt ja nichts konkretes! Ich fühle mich belogen!“ so Jonas Wischnewski, Fridays for Future Aktivist aus Ahrtal, dem Hochwassergebiet.
Die politischen Konsequenzen aus der Katastrophe müssen über eine reine Symptombehandlung hinausgehen. Fridays for Future fordert deswegen konsequenten Klimaschutz statt heuchlerischer Worte und eine sofortige Abkehr von Kohle, Öl und Gas um die Emissionen schnell zu senken.
Die Flutkatastrophe im Juli 2021 in Deutschland und die Klimakrise
Stellungnahme von Wissenschaftler:innen der Scientists for Future zu den Extremwetterereignissen im Juli 2021
Berlin, 22. 07. 2021 | Der Klimawandel hat einen nachweisbaren Anteil an der Flutkatastrophe im Westen und Südosten Deutschlands. Zwar steht eine detaillierte Attributionsstudie zur Höhe des Beitrags der Klimaänderung zu der Flutkatastrophe noch aus. Dennoch erlaubt der Stand der Forschung, klar festzustellen, dass die menschengemachte Erderwärmung ohne Zweifel zur Schwere des Flutereignisses beigetragen hat. Das ist das zentrale Ergebnis einer vorläufigen Untersuchung von Klimawissenschaftler:innen der Scientists for Future.
Schon seit den 1980er Jahren sagen Klimamodelle vorher, dass Extremniederschläge durch die globale Erwärmung zunehmen werden. Darüber hinaus gibt es auch zunehmend Indizien für steigende Risiken durch Veränderungen in den Zirkulationsmustern der Atmosphäre. „Diese erwartete Zunahme wurde seither auch durch Messdaten bestätigt, sowohl weltweit als auch für Mitteleuropa und Deutschland“, sagt der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf. „Der physikalische Hauptgrund dafür ist, dass warme Luft mehr Wasserdampf aufnehmen kann. Wahrscheinlich spielt auch eine Abschwächung der Westwinde eine Rolle, wodurch bestimmte Wetterlagen länger anhalten.“
Weltweit wird eine Zunahme von Rekordniederschlägen in den letzten Jahrzehnten beobachtet, ein Trend, der in direktem Zusammenhang mit der Erderwärmung steht. Für Deutschland hieß das konkret: Die Flutkatastrophe ging mit einer Vielzahl von klimatologischen Rekorden einher. Für viele betroffene Regionen wurden Rekordniederschläge und -pegel gemessen. Der Meteorologe Özden Terli stellt dazu fest: „Aufgrund der Erwärmung ist eine Zunahme von Starkregenereignissen und eine Abnahme von Tagen mit nur geringen Niederschlägen zu erwarten.“ Diese Umverteilung hin zu Starkregen ist unabhängig von Veränderungen der Jahresmenge an Niederschlägen, auch bei insgesamt abnehmenden Niederschlägen können also die Starkregenereignisse zunehmen. Terli weist noch auf ein anderes Phänomen hin: Die Tiefdruckgebiete mit ihrem Starkregen ziehen nur langsam oder überhaupt nicht weiter, der Niederschlag verteilt sich also nicht mehr über eine größere Fläche, sondern fällt über Tage auf dasselbe Areal. Özden Terli: „Eine hochaufgelöste Modellierungsstudie für Starkregen in Europa zeigt eine Verlangsamung der Wettersysteme und eine starke Zunahme der Häufigkeiten von quasi-stationären Lagen und den daraus folgenden Niederschlagsextremen und Flutrisiken.“ Eine solche stationäre Wetterlage hat maßgeblich zur Flutkatastrophe im Juli 2021 beigetragen.
Der Klimatologe Carl-Friedrich Schleussner hebt die historische Singularität des derzeitigen Klimawandels hervor. Noch nie in der Geschichte war die Menschheit einem Klimawandel ausgesetzt, der so rapide abläuft – und den sie selbst erzeugt hat: „Die heute erreichten Temperaturwerte sind mit hoher Wahrscheinlichkeit die höchsten seit 12.000 Jahren. Wir verlassen das relativ stabile Klima des Holozän, das Ackerbau und hochentwickelte Zivilisation erst ermöglichte.“ Dieser Prozess läuft, bezogen auf das System Erde, mit sehr hohem Tempo ab. Das bedeutet auch, dass wir noch keine wirkliche Vorstellung davon haben, was eine Erderwärmung von 1,2 °C für unsere Gesellschaften bedeutet. Schleussner: „Wir haben die wirklichen Extremwetter — also Ereignisse, die nur einmal alle 20 oder 50 Jahre zu erwarten wären — der bereits von uns verursachten Erderwärmung meist noch nicht erlebt.“
Die Katastrophe zeigt eindrücklich, dass niemand, auch nicht wir hier in Deutschland, vor den Folgen der Erderwärmung sicher ist. Auch wenn verstärkte Anpassungsmaßnahmen zum Schutz vor Klimafolgen dringend erforderlich sind, zeigen Ausmaß und Schwere des Ereignisses uns bereits heute auch die Grenzen unserer Anpassungsfähigkeit auf.
Die Stellungnahme “Die Flutkatastrophe im Juli 2021 in Deutschland und die Klimakrise — eine Stellungnahme von Wissenschaftler:innen der Scientists for Future” findet sich hier:
https://info-de.scientists4future.org/die-flutkatastrophe-im-juli-2021-in-deutschland-und-die-klimakrise/