Ein Mediziner aus Schleswig-Holstein entwickelt angeblich ein hochwirksames Antigen gegen Corona. Virologe Christian Drosten mahnt – und vom Staat gibt es statt Aufträgen eine Strafanzeige. Zu Recht?
- Corona-Pandemie in Deutschland: Die Suche nach Wirkstoffen gegen Covid-19 läuft auf Hochtouren.
- Ein Mediziner aus Schleswig-Holstein entwickelt angeblich ein hochwirksames Antigen gegen das Coronavirus.
- Trotz positiven Feedbacks von Virologe Christian Drosten wird der Erfinder vom Staat angezeigt.
Groß Grönau/Lübeck – Heilsbringer oder bedenklich? Ein deutscher Arzt und Unternehmer hat laut dem Nachrichtenmagazin Spiegel ein Antigen gegen das Coronavirus entwickelt, dessen Wirkung selbst renommierte Virologen bestätigen würden. Der Name des Pharma-Tüftlers: Winfried Stöcker.
Doch: Statt Aufträgen gab es nun eine Anzeige vom deutschen Staat. Wie kann das sein? Der Reihe nach: Stöcker ist der Gründer der Pharma-Firma EUROIMMUN, die sich auf die Erkennung von Infektionskrankheiten spezialisiert hat.
Coronavirus-Pandemie in Deutschland: Ein Unternehmer entwickelt angeblich ein Impf-Antigen
Das Unternehmen mit Sitz in Lübeck (Schleswig-Holstein) hat er mittlerweile verkauft – dem Bericht zufolge für eine Milliarde Euro. Seither forsche er jedoch privat, heißt es in dem Video-Beitrag, mit einem eigenen Team an Spezialisten. Gemeinsam mit diesen sei es ihm gelungen, ein Impf-Antigen zu entwickeln, erzählt Stöcker im Interview dem Spiegel.
„Damit könnten sie innerhalb von wenigen Monaten ganz Deutschland versorgen.“
Den Impfstoff habe er fortan nicht nur an sich selbst ausprobiert, sondern auch seiner Familie und Mitarbeitern sowie Freiwilligen verabreicht. Wie Stöcker behauptet, seien nun alle Geimpften gegen das heimtückische Coronavirus immun. 97 Prozent von 100 Geimpften hätten Antikörper in hoher Konzentration entwickelt.
Mehr noch: Der Wirkstoff ist laut Stöcker leicht und in großen Mengen zu produzieren. Angeblich weitere Vorteile: Der Wirkstoff könne in normalen Kühlschränken gelagert werden, und der Körper müsse nicht erst Antigene bilden, sondern bekomme diese eingeflößt. Zudem ist der Impfstoff laut Erfinder mit Blick auf die Mutanten leicht modifizierbar.
Corona-Impfungen in Deutschland: Neues Impf-Antigen aus Schleswig-Holstein?
„Damit könnten sie innerhalb von wenigen Monaten ganz Deutschland versorgen“, erklärt Mediziner Stöcker und meint: „Es gibt genügend Ärzte, Sie bräuchten keine große Turnhalle zu mieten, sondern die Leute lassen sich das bei ihrem Hausarzt verabreichen und dann sind sie in zwei oder drei Monaten immun gegen diese Seuche. Alle.“
Schon im Mai 2020 hatte Stöcker seine Ergebnisse Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité mitgeteilt, einem der Berater der Bundesregierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). In dem Bericht wird aus einer angeblichen E-Mail-Antwort Drostens zitiert: „Insgesamt kann ich Ihren Selbstversuch gut nachvollziehen, aber man muss natürlich beachten, dass die Produktion eines Impfantigens sehr hohe Qualitätsansprüche erfüllt, wenn man den Impfstoff vermarkten will.“
Laut Stöcker hat die Charité bestätigt, „dass dieser Antikörper, den ich gebildet habe, in der Lage ist, den Virus zu neutralisieren“. Aber das Paul-Ehrlich-Institut, das für die Zulassung von Impfstoffen in Deutschland zuständig ist, zweifelt offenbar seine Ergebnisse an. Und nicht nur das: Die Behörde habe sogar Anzeige gegen den mutmaßlichen Impfstoff-Entwickler gestellt, heißt es.
Corona-Impfstoff-Entwickler Winfried Stöcker – Staatsanwaltschaft Lübeck prüft Strafanzeige
Auch das Landesamt für soziale Dienste erstattete laut Spiegel Anzeige, weil nicht ausgeschlossen werden könne, „dass weitere Herstellungen und Impfungen, (…) die Gesundheit der Probanden schwer gefährden können“. Kurzum: Stöcker ging nicht den vorgeschriebenen Weg, weswegen die Sicherheit seines Wirkstoffes wohl angezweifelt wird.
Die Kritik ist groß: So schreibt die Virologin Petra Falb auf ihrem Blog zum angeblichen Corona-Impfstoff von Stöcker: „Hier wird die gesetzwidrige Verabreichung eines völlig ungeprüften, potenziell verunreinigten Produktes bejubelt.“ Falb meint weiter: „Er hätte sich lediglich einen Partner suchen müssen, der Erfahrung im Zulassungsbereich und entsprechende Produktionskapazitäten hat und hätte damit den gleichen Pfad beschreiten können wie alle anderen. Wer aber das Pferd von hinten aufzäumt, wird zu Recht in die Schranken gewiesen, vor allem bei einem derart groben Gesetzesverstoß, der Menschenleben gefährden kann.“
Schon früher hatte es öffentliche Bedenken mit Blick auf Unternehmer Stöcker gegeben – unter anderem wegen polarisierender Aussagen zur Flüchtlingskrise. Einstige Partner distanzierten sich daraufhin von ihm.
„In jedem Fall missbrauchen es die Afrikaner, die ungebeten übers Mittelmeer zu uns gelangen“, sagte er im Dezember 2014 im Interview mit der Sächsischen Zeitung zum Thema Asylrecht: „Ich würde sie sofort wieder nach Hause schicken, dann lassen die nächsten solche gefährlichen Bootstouren bleiben, und keiner ertrinkt mehr – die einzige wirksame Prävention, besser als ein Aufruf des Papstes. Die reisefreudigen Afrikaner sollen sich dafür einsetzen, dass der Lebensstandard in ihrem Afrika gehoben wird, anstelle bei uns betteln zu gehen.“