In Berlin diskutiert die Politik noch über Sinn und Zweck, in Delmenhorst ist es jetzt soweit: Ab Dienstag gilt ein nächtliches Ausgangsverbot. Der Kreis Oldenburg hat die Regel hingegen wieder aufgehoben.
146 Menschen haben sich in Delmenhorst in den vergangenen sieben Tagen mit Corona infiziert, die Inzidenz ist in einer Woche von 100,6 auf 188,2 gestiegen. Ein so rasantes Infektionsgeschehen hatte es zuletzt vor Weihnachten gegeben. Und das, obwohl die Stadtverwaltung vor zwei Wochen die „Notbremse“ zog und Lockerungen wie das Termin-Shopping wieder einkassierte. Am Dienstag, 20. April, folgt nun die nächste Verschärfung des Lockdown: Zwischen 21 und 5 Uhr gilt eine nächtliche Ausgangssperre. Laut Corona-Verordnung der Landesregierung sollen Kommunen zu diesem Mittel greifen, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz konstant über 150 liegt. Nach 21 Uhr dürfen Delmenhorster nun nur noch mit einem triftigen Grund (siehe Infokasten) vor die Haustür treten. Die neue Regel gilt bis einschließlich 3. Mai. „Wir bedauern, dass wir jetzt zu dieser Maßnahme gezwungen sind“, teilte Krisenstabsleiter Rudolf Mattern mit.
Schon am Sonnabend hatte Oberbürgermeister Axel Jahnz (SPD) diesen Schritt angekündigt. „Sollte der Inzidenzwert am Sonntag und am Montag weiterhin den Wert von 150 überschreiten, wird die Stadt eine Ausgangsbeschränkung mit Wirkung ab Dienstag verfügen“, hieß es in einer Pressemitteilung (wir berichteten). Was die Verwaltung nicht sagte: Die Überschreitung der Schwelle von 150 für Sonntag und Montag war am Sonnabend eine mathematische Gewissheit. Bei null Neuinfektionen am Sonntag hätte Delmenhorst eine Inzidenz von 153 erreicht. Dies wäre auch für Montag der bestmögliche Wert gewesen, weil das Landesgesundheitsamt montags nie Neuinfektionen für die Stadt meldet. Im Vergleich von Sonntag zu Montag bleibt die Sieben-Tage-Inzidenz immer gleich.
Der Landkreis Oldenburg hat am Montag hingegen für Wildeshausen und die Gemeinden Großenkneten und Wardenburg die nächtliche Ausgangssperre wieder aufgehoben. Die Kreisverwaltung hatte die Regelung am 1. April eingeführt, sie galt für 18 Tage. Landrat Carsten Harings teilte in einer Pressemitteilung am Freitag geradezu beiläufig mit, das in seinen Worten „schärfste Schwert“ nicht mehr zu nutzen. Den Spielraum dafür gab ihm die gesunkene Inzidenz, sie lag am Freitag bei 111,5. „Die Prognose für die nächste absehbare Zeit deutet für den Landkreis Oldenburg auf eine Inzidenz im Korridor von 100 bis 150 hin“, erläuterte Harings. Am Montag meldete Niedersachsen eine Inzidenz von 110,8.
In Wildeshausen ist die Sieben-Tage-Inzidenz in der Zeit der nächtlichen Ausgangssperre gesunken. Als die Kreisverwaltung am 30. März die Entscheidung traf, lag der Wert für die Stadt mit rund 21.000 Einwohnern bei 387. Am Freitag meldete der Kreis eine Inzidenz von 228,5, bis Montag sank sie auf 183,8. Bürgermeister Jens Kuraschinski wollte sich auf Nachfrage nicht zum aufgehobenen nächtlichen Ausgangsverbot äußern. Dies sei eine Entscheidung der Kreisverwaltung, die Kontrolle habe die Polizei übernommen. Die Frage, wie sich die Ausgangsverbote auf das Infektionsgeschehen ausgewirkt haben, blieb am Montag auch seitens des Landkreises unbeantwortet.
Weil die Sieben-Tage-Inzidenz im Landkreis am Wochenende kurzzeitig unter 100 sank, erreichten die Verwaltung viele Anfragen zur Aufhebung der Notbremse. Doch die entsprechende Verfügung hat der Kreis bis zum 9. Mai verlängert. „Einen Automatismus für die Beendigung der Notbremse gibt es in der Corona-Verordnung nicht“, erklärte Sprecher Oliver Galeotti in einer Pressemitteilung. Die Inzidenz müsse sieben Tage in Folge unter 100 liegen, und diese Unterschreitung müsse nach Einschätzung der Behörden auch von Dauer sein. Erst dann könne der Landkreis erklären, ab wann man zu den vor der Notbremse geltenden Lockerungen wieder zurückkehre.
Zur Sache
Das gilt als triftiger Grund
Ausgenommen vom nächtlichen Ausgangsverbot sind Personen mit einem „triftigen Grund“, den sie im Zweifel auch bei einer Polizeikontrolle glaubhaft erklären können. Dazu zählen berufliche Tätigkeiten, wenn diese zwingend zwischen 21 und 5 Uhr ausgeübt werden müssen. Auch Wege zu medizinischen, psychosozialen oder veterinärmedizinischen Behandlungen gelten als Ausnahme. Gleiches gilt für den Besuch von religiösen Veranstaltungen. Auch der Besuch von nahen Angehörigen, die eine Behinderung haben oder pflegebedürftig sind, ist weiterhin möglich. Ausgenommen sind ebenfalls die Unterstützung von Hilfsbedürftigen, die dringende Versorgung von Tieren oder die Begleitung Sterbender.